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16.10.2019 • 8 min.

pretty artist portrait • ralf brück

Plastic dancing in the ocean

Auf unseren Meeren schwimmt ein gigantischer Killer-Organismus. Er ist sehr gefährlich, da er nicht organisch, sondern künstlich ist. Die davon ausgehende Gefahr (Mikroplastik) kann man fast schon mit der von Radioaktivität gleichsetzen. So schön es auch im ersten Moment wirken mag: In meiner Installation ist es eher ein Totentanz. Deswegen habe ich das Ganze auch in rötliches Licht getaucht. Auch die Vertonung soll bewusst an Walgesänge erinnern. Ralf Brück

Fotograf Ralf Brück: Bildender Künstler, radikaler Denker, Bildstrukturen-Verschieber, Becher-Schüler, Villa-Romana-Stipendiat, Computernerd und politischer Visionär. Eine Arbeit aus seiner aktuellen Serie beschäftigt sich mit der Gefahr „Mikroplastik“. Ein Gespräch mit Brück über die Trägheit der Menschen, Brot und Spiele, seine unerfüllten Träume, Geisterhände und warum er kein Gehirnchirurg wurde. 

 

PRESSPICTURE RALF BRUECK • copyright by Photographer Estelle Klawitter

PRESSPICTURE RALF BRUECK • copyright by Photographer Estelle Klawitter

 

AW: Gibt es Deiner Meinung nach eine Lösung, um die Erde zu retten, die jeder sofort umsetzen könnte?

RB: Wir Menschen sind so intelligent und gleichzeitig so unfassbar dumm. Der Mensch sucht immer den leichtesten Weg anstatt wirklich hinzugucken. Ich bin manchmal radikaler in meinen Ansichten und kann dazu nur sagen, dass ich glaube, dass der Mensch zu dumm und zu träge ist, um auch nur irgendetwas umzusetzen aus eigener Motivation. Da bedarf es schon staatlicher Einmischung und Regulierungen, damit etwas einigermaßen konsequent angegangen wird. Die Menschen sind so sehr mit TV, Netflix und Co. und den Gossip aus Gala, Bunte und Bild und allem voran den sozialen Netzwerken beschäftigt, dass sie keine Zeit haben sich mit den wichtigen Fragen auseinanderzusetzen. Die Medien sind „Brot und Spiele“ des modernen Staates, um das Volk ruhig und dumm zu halten, während im Hintergrund wirtschaftliche Interessen verfolgt werden. Die Plastikproblematik wird kleingehalten durch Diskussionen über Q-tips und Trinkhalme. Wer aber einmal einen Blick in die Kühltheken der Supermärkte wirft, stellt fest, das Q-tips unser kleinstes Problem sind. Da hilft auch der Jutesack nichts, wenn es Wurst, Käse, Joghurt etc. nur im 3 mm starken Plastikverpackungen zu kaufen gibt.

AW: Was hindert die Menschen Deiner Ansicht nach daran etwas an ihrem Lebensstil zu ändern, um die Erde und am Ende sich selbst und ihre Kinder zu retten?

RB: Egoismus und Trägheit. Es gibt bei vielen Menschen, meiner Meinung nach, diesen einen Trägheitsmoment: Wenn „die da Oben“ es nicht vorleben und die große Masse es nicht macht, warum sollte ich das dann machen?! Ich als Einzelperson kann nichts bewirken. Und damit bleibt ein jeder in seiner Routine, nur wenige fühlen sich verantwortlich und die Natur stirbt.

AW: Wie fühlt es sich an ein Kunstprojekt wie Deines zu kreieren und zu merken, dass jeder nickt, doch niemand ins Handeln kommt?

RB: Ich bin ein politischer Mensch, aber kein politischer Künstler. Der Ausgangspunkt ist bei mir immer das Bild. Für mich ist meine Arbeit richtig, wenn die Bilder polarisieren. Wenn es dazu führt, dass Menschen nachdenken, wohnt der Arbeit etwas inne, was über das eigentlich Dargestellte bzw. Abgebildete hinausgeht. Somit bleibt das Bild interessant und wirft Fragen auf.

AW: Du hast heute gar nicht die richtige Uhr an. Sie hat doch, wie ich hörte, besondere Fähigkeiten. Ist Deine Uhr eine Art Ressourcenschonung?

RB: Die Casio CMD 40, die eine Infrarotfernbedienung hat, habe ich tatsächlich verkauft. Aber mit TV-B-Gone, das ich mir unlängst zusammen gebastelt habe, kannst du TV-Screens wie durch Geisterhand ausschalten, was irgendwie Spaß macht im öffentlichen Raum.

AW: Gibt es einen unerfüllten Traum bezüglich der Fotografie, der Dir noch auf der Seele brennt?

RB: Oh, das würde eine lange Liste werden. Im Moment beschäftige ich mich mit Forschungsstationen am Polarkreis und mit unterirdischen, gigantischen Bergwerken.

AW: Was wünschst Du Dir, was ein Betrachter bei Deinen Werken empfindet und was auf gar keinen Fall?

RB: Ich wünsche mir, das er alles genial findet. HAHA. Auf keinen Fall wünsche ich mir Langeweile – das wäre das Schlimmste oder „habe ich schon alles 1.000 Mal gesehen“.

AW: Gibt es ein Werk, das Deiner Mutter gewidmet oder durch sie inspiriert wurde?

RB: Nein, obwohl ich meine Mutter hoch verehre, habe ich aber ein Werk nach meiner Großmutter betitelt. „Shopping with Grandma Elizabeth“, das zur Serie DECONSTRUCTION gehört. Es wurde im ehemaligen Kaufhaus Horten aufgenommen, bevor es abgerissen wurde. Als Kind war ich dort häufig mit meiner Oma, habe viele besondere Erinnerungen daran.

AW: Was hast Du als Kind im Grundschulalter besonders gerne gespielt?

RB: Modellbau, insbesondere Flugzeuge und U-Boote im Maßstab 1:72 fand ich als Kind schon immer interessant. Ich habe immer gerne repariert, gebaut, gebastelt, zusammengeflickt…Wenn ich nicht an der Kunstakademie aufgenommen worden wäre, dann wäre ich sicher Chirurg oder Ingenieur geworden. Ich denke Gehirnchirurg. Das hätte mir gefallen.

AW: Was war der schönste Ort in Deinem Elternhaus?

RB: Ich bin in einem Mietshaus groß geworden. Aber mein Kinderzimmer mit eigenem Bad lag im Dachgeschoss abgetrennt von meinen Eltern. Ich fühlte mich dort autark mit meiner Katze Silvester. Oft saß ich an meinem Schreibtisch und habe an den Modellen gebastelt. Wenn ich damit fertig war, wurden die Schätze auf dem Boden ausgebreitet und fotografiert. Ich habe spezielle Ausschnitte gewählt, die Kamera dann auf den Boden gestellt und bin ganz nah ran gegangen um eine möglichst reale Wirkung zu erzielen. Das ist mal mehr, mal weniger gelungen. Es war immer spannend, wenn die Bilder entwickelt waren und man endlich die Ergebnisse sah. Aber alle Erinnerungen daran verblassen, wenn ich an meinen ersten Computer denke, den ich mir von meinem gesparten Geld leisten konnte. Es war ein Sinclair ZX81 mit Folientastatur.

AW: Was möchtest Du der Nachwelt hinterlassen? Verzehnfache den ersten Gedanken.

RB: Meine Asche, aber hoffentlich auch ein paar hundert Kunstwerke, die die Jahrhunderte überdauern. Aber auf keinen Fall den Plastikmüllberg, den ich in meinem Leben als Verbraucher produziert habe.

Ralf Brück im Web: www.ralfbrueck.com
Interview/Text:
Anna Wischermann

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