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05.04.2019 • 15 min.

pretty personal portrait

„Das Frösche küssen hatte ich bereits abgeschlossen“

Sie ist das, was man eine „ehrliche Haut“ nennt. Eine aus Flingern eben, wo man sagt, was man denkt: Elke Schmidt. Ihr verschmitztes Lächeln ist eine Art Markenzeichen — viel mehr aber noch sind es ihre geradlinigen, authentischen Sprüche. Mit ihnen sowie wie mit Anekdoten aus ihrem Leben könnte man ganze Bücher füllen. Die in Düsseldorf geborene und dort lebende „Schmiddi“ ist seit 2010 bei Stefan Kranefeld Imaging/pretty on point. Ihre fachliche Kompetenz, ihr Selbstbewusstsein und natürlich auch ihr Unterhaltungswert machen sie zu einem unersetzlichen Teammitglied. Ein Gespräch über Körperfreunde, Gift für das Kreativzentrum, einen Pool voller Gurkensalat, gemeingefährliche Häufchenbildungen, sabbernde Hunde, einem Gespür für Schnee und Symbiosen bei pretty on point.

 

AW: Du bist die einzige Person bei pretty on point, die die Kunst der Retusche nicht beherrscht und auch nicht beherrschen möchte. Was genau ist Deine Aufgabe im Studio?

ES: Ich mache das, was Kreative meist belastet und sie in ihrem künstlerischen Prozess blockiert. Ich nenne es das „Gift für das Kreativzentrum“: die administrativen Tätigkeiten. Ich hingegen liebe es zu sortieren, mich mit Zahlen zu beschäftigen, Strukturen zu schaffen und so dem Team den Freiraum für ihre eigentliche Arbeit zu geben. Und diese bürokratischen Aufgaben mache ich wirklich mit vollem Elan, denn mein Kreativzentrum ist stark unterentwickelt, da kann ich nichts blockieren. (lacht)

AW: Wie haben Stefan und Du euch kennengelernt? Seit wann seid ihr ein Paar?

ES: Ich mache mal eine laaaaange Geschichte kurz. Ich arbeitete damals noch als Studioleitung in einem Fitnessstudio Vitale auf der Ackerstrasse. Eines Tages zog Stefan mit seinem Studio in eines der Nebengebäude ein, das auch dem Besitzer des Fitnessstudios gehörte. So kam es zu dem ersten Kontakt, denn man sah sich öfter im Hinterhof. Wenn ich im Sommer um 22 Uhr die Pforten des Fitnessstudios schloss, saßen Stefan und ein paar andere Nachbarn oft draußen in der „Trinkhalle“ und aßen Tapas. Ich gesellte mich immer häufiger dazu und so kam eins zum anderen. Mittlerweile sind wir seit fast 12 Jahren auf vielen Ebenen miteinander verbunden. Damals war ich bereits über 40. Manchmal kommt das wahre Glück im Leben ein wenig später als gedacht, aber es kommt.

AW: Was war das Besondere am Fitnessstudio und was fasziniert Dich an Stefan?

ES: Das Besondere am Fitnessstudio war, dass alles dort zusammenfloss, was meine Fähigkeiten betrifft: Als ausgebildete Industriekauffrau und Freizeitsportleiterin konnte ich die Geschäftsleitung übernehmen. Zudem gab ich Fitnesskurse, da ich schon immer sportbegeistert war und nebenbei bot ich Ernährungsberatungen an. Letzteres habe ich mir durch viele Weiterbildungen an Wochenenden angeeignet. Ich bin ein Körperfreund, da ich den menschlichen Körper als ein unglaubliches Geschenk, ja als ein Wunderwerk ansehe. Und was mich an Stefan fasziniert… einfach alles. Er hat eine schöne Seele. Das Frösche küssen hatte ich bereits abgeschlossen und wusste sehr genau, was ich in Zukunft wollte und was absolut nicht. Ich war einfach müde von den ganzen Endlosdiskussionen. Und dann kam Stefan. Er und ich hatten die gleichen Wünsche für eine Partnerschaft: Keine Streitigkeiten, kein Energiesaugen und vor allen Dingen keinen Stress wegen Nichtigkeiten. Wenn wir zusammen kommen wollten, dann unter einer Prämisse: Das neue WIR als Paar darf nicht gleichbedeutend damit sein, dass zwei Menschen zusammen kommen und sich dabei selbst ein Stück verlieren. Sprich 100 und 100 Prozent ergeben plötzlich nur noch 100 statt 200 Prozent. Wir wollten aber 200 Prozent +. Und das haben wir uns bis heute bewahrt. Ein kleines Wunder, denke ich oft und dafür bin ich sehr dankbar.

AW: Du bist sehr umtriebig und vielfältig. Was wollten Deine Eltern, was Du wirst?

ES: Natürlich eine besonders gute Ehefrau. (lacht) Schnellstmöglich heiraten und Kinder kriegen. Bei beiden Themen habe ich auf ganzer Linie versagt. Mein Vater sagte damals zu mir, als ich ihm eröffnete, dass ich eine Doppelqualifikation anstrebe: „Das Abitur ist nicht für Dich vorgesehen“. Meine Mutter akzeptierte meine Entscheidungen immer stillschweigend. Ich glaube, insgeheim hat sie immer gespürt, dass ich einen anderen Weg gehen werde. Am Ende des Tages war es für meine Eltern wichtig, dass ich finanziell nicht mehr von ihnen abhängig bin und das habe ich geschafft. Nicht durch einen Ehemann, aber durch eine solide Ausbildung. So gesehen haben alle das bekommen, was sie wollten. Win-Win. Und um die Enkelkinder hat sich mein Bruder gekümmert. Zwei kecke Mädels — mittlerweile eher junge Damen, die er und seine Frau klasse hinbekommen haben.

AW: Was waren Deine Lieblingsspeisen als Kind und welches dieser Lieblingsgerichte hat es geschafft auch heute noch unter den Top 10 von Dir zu sein?

ES: Als Kind liebte ich Spaghetti Bolognese und Gurkensalat mit Sahne und Dill. Noch heute könnte ich mich in diese zwei Gerichte reinlegen. Also nicht nur metaphorisch. Wenn ich einen Pool mit Sahne-Dill-Gurkensalat sehen würde, wäre ich die erste, die dort in voller Montur reinspringen würde. (lacht)

AW: Du bist das gute Gewissen des Studios. Wie motivierst Du das Team immer wieder Bewusstsein für Ordnung, Strukturen und Mülltrennung zu entwickeln?

ES: Ganz einfach. Wenn ich einen Fehler sehe, gibt es Saures. (lacht)

AW: Du bist gnadenlos ehrlich und direkt. Warst Du schon immer so, gab es eine Situation in Deinem Leben, die Dich dazu gemacht hat oder war das harte Arbeit, um so klar in seinen Aussagen sein zu können?

ES: Ich war schon immer so. Eigentlich noch viel extremer. Ich habe sozusagen downgegradet, um besser in der Zivilisation klar zu kommen. (lacht) Ich musste lernen auch mal „Ja“ zu sagen, vielen macht das „Nein“ mehr Probleme. Es hat mich nur bedingt interessiert, was andere von mir denken könnten. Ich mache, was ich nach meiner Überzeugung für richtig halte. Ich weiß wohl, dass meine Art polarisiert. Manchmal hat es sicherlich auch den ein oder anderen irritiert. Aber meine oberste Maxime bleibt nun mal: I did it my way. Vielleicht fehlt mir einfach der Filter mit dem Weichzeichner ab Werk. (lacht) Ich kann mich daran erinnern, als ich noch zur Grundschule ging, es morgens immer Diskussionen darüber gab, was ich anziehen soll. Meine Mutter sagte dann irgendwann genervt: „Bitteschön. Dann gehe doch mit der Schlafanzughose zur Schule.“ Das tat ich auch. Natürlich schlüpfte ich noch in einen Pulli und meine Schuhe, aber so zog ich los. Nach der Schule kam meine Mutter triumphierend zu mir und fragte „Na, haben Dich die Kinder ausgelacht?“. Und ich meinte nur „Keine Ahnung, ich habe gar nicht darauf geachtet.“ Das war auch wirklich so. Es gibt so einen schönen Spruch von Epictetus: „Es geht nicht darum, was Dir im Leben passiert, sondern wie Du darauf reagierst.“ Ich denke, es war und ist eine Art Schutzfunktion von mir und es hat mich teilweise entspannter durch`s Leben gehen lassen.

AW: Welche Kleinigkeit bringt Dich bei anderen am schnellsten auf die Palme und welche bei Dir selbst?

ES: Oha, das ist ein breites Feld. (lacht) Besonders Geräusche machen mich bei anderen strubbelig. So Dinge wie lautes Schlucken, Räuspern, Knibbeln, Kratzen… all so etwas. Bei mir selbst stört es mich, dass ich ungeduldig bin und vieles um mich herum, wie Situationen und Menschen, zu schnell bewerte. Schublade auf, rein, fertig. An einem flexibleren und nachsichtigeren Schubladensystem arbeite ich aber fleißig.

AW: Ich glaube, Du wärst eine coole Patentante mit originellem Vorbildcharakter. Was wäre Deine erste Amtshandlung, wenn Dein Patenkind in die Schule kommt?

ES: In der 2. Klasse ging ich nach der Schule auf dem Heimweg an der Düssel entlang und entleerte dort meinen Tornister. Ich hatte mich unglaublich über meinen Tag in der Schule geärgert und empfand es sehr befreiend den Krempel im Wasser davon schwimmen zu sehen. Vielleicht wäre das eine nachahmenswerte Idee für mein potenzielles Patenkind. (lacht)

AW: Welchen Wunsch hast Du Dir erfüllt, als Du volljährig wurdest?

ES: Meinen Inbegriff von Freiheit: den Führerschein und ungefähr vier Jahre später meinen ersten Wagen. Einen Toyota Starlet.

AW: Warum hast Du eigentlich keine Bulldogge als Hund und warum heißt euer Hund Lotte?

ES: Eine Bulldogge käme mir nicht ins Haus. Ich bin nicht für überzüchtete Rassehunde. Zudem vereint dieser Hund alles, was mich irre macht: er ist unsportlich, träge, macht Geräusche, sabbert und ist notorisch übergewichtig. Als Lotte zu uns kam hieß sie Daisy. Das muss man sich mal vorstellen: Daisy. Dabei sah sie aus wie eine Lotte. Die Lieblingstante von Stefan heißt übrigens auch Lotte und wird in diesem Jahr 100. Wahnsinnfrau — Wahnsinnsalter.

AW: Du siehst unglaublich energiegeladen aus. Ist das genauso echt wie Deine direkten, ungefilterten Aussagen?

ES: Danke und ja. Die Energie hole ich mir aus regelmäßigem Sport, gutem Essen, Meditieren und der Liebe zu Stefan. Wir geben uns täglich Kraft und Energie. Momente mit ihm sind meine kleinen Inseln.

AW: Was war Deine mutigste Aktion als Kind und als Erwachsene?

ES: Da muss ich tatsächlich keine Sekunde überlegen. Eine Mutprobe, als ich 14 Jahre alt war. Um in einer speziellen Clique aufgenommen zu werden, musste man vom 10-Meter-Brett springen. Aktuell gibt es auch eine Challenge für mich. Ich möchte meine absolute Ur-Angst besiegen und habe mich deshalb bei den „Düsseldorfer Toastmasters“ angemeldet. Dort gehe ich ein Mal die Woche hin, um mich meiner Angst vor dem Reden halten auf einer Bühne zu stellen. Man sollte ja meinen, einer Verbalakrobatin wie mir, die eine gewisse Gleichgültigkeit besitzt, wenn es um die Meinung anderer geht, sollte das nicht schwer fallen. Aber weit gefehlt.

AW: Was wäre ein Rat, den Du Deinem 20-jährigem „Ich“ geben würdest und der Dir einige Dinge erspart hätte?

ES: Mein Rat wäre: Mache Dich locker — und das in allen Lebenslagen. Und denke mal über den Begriff Ur-Vertrauen nach. Ich selbst musste 50 Jahre alt werden, um den „Gong“ zu hören. Ich merkte, dass das Thema Aufmerksamkeit verdient und ich mich mit meiner Seele beschäftigen sollte, um meine geistige Ebene weiter zu entwickeln. Ich glaube, diesen Zugang zu meiner inneren Welt hätte ich gerne schon ein paar Jahre früher gehabt. Dennoch bin ich unsagbar glücklich darüber, dass ich nun in meiner zweiten Lebenshälfte an meinem „Nordstern“ arbeiten darf.

AW: Du machst alle administrativen Tätigkeiten für pretty on point. Und das mit vollem Einsatz, wie ich hörte. Wie kann man diese Arbeit so lieben wie Du?

ES: Für mich wäre es umgekehrt die Höchststrafe kreativ sein zu müssen. Ich bin eher ein Monk. Ich mag schon beinahe etwas krankhaft Ordnung, Symmetrien und Strukturen. Zettelwirtschaft und diese gemeingefährliche Häufchenbildung macht mich irre und ich beseitige sie ohne Rückfragen an den Erbauer. Ich bin ein Fehlerfinder, ein Strukturenschaffer, ein Optimierer. Überall. Auch zu Hause. Das macht mir riesigen Spaß und befriedigt mich enorm, sobald es erledigt ist und an Ort und Stelle steht. Es erspart enorm viel Zeit, wenn jeder weiß, wo die Dinge sind und nicht ständig gesucht werden muss.

AW: Du bist nicht gerade ein Herdentier. Wie kommt es, dass Du so harmonisch im Team integriert bist?

ES: Es kommen zwei Dinge zusammen: Erstens hier im Studio sind keine Durchschnittsmenschen vereint, sondern Originale mit speziellen Fähigkeiten. Jeder auf seine Art. Zweitens eint diese Menschen ein großes Herz und ein Gespür für Schnee. Damit meine ich, einen Sinn für die zauberhaften Momente im Leben. Ich liebe zum Beispiel unsere familiären Mittagessen im Studio mit dem gesamten Team. Ein bisschen essen, klönen, lachen und dann wieder entspannt an die Arbeit.

AW: Was ist das Beste an eurem Studio?

ES: Das wiederum ist eine Trilogie: Die Symbiose aus detailverliebten Tätigkeiten, wohnlicher Location und außergewöhnlichen Menschen. Es ist ein Geschenk mit Menschen zu arbeiten, die ich unglaublich wertschätze und die wiederum mir täglich Wertschätzung entgegen bringen.

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Interview/Text: Anna Wischermann

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