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09.04.2019 • 13 min.

pretty personal portrait

„Es steht ein Quantensprung bevor.“

Stefan Kranefeld ist vieles: Retusche-Pionier, Querdenker, Hobbymusiker, Fotokünstler, Rebell und Visionär. Anfang Januar verändert er nicht nur den Namen seines Retusche- Studios, sondern auch gleich das Management Board. Doch wer denkt, der 56-jährige würde nun eine ruhige Kugel schieben, der irrt gewaltig. Innerhalb eines Jahres hat Kranefeld einen kompletten Transformationsprozess in Gang gesetzt, um nicht nur seine Nachfolge zu regeln, sondern auch eine zukunftsweisende Strategie auszubauen. Ein Gespräch mit Kranefeld über das Loslassen, seine Erweiterung zum Lösungsanbieter, sein 25-jähriges Jubiläum, seine neuen Partner, die Pläne für den internationalen Markt, die Rolle eines erfüllten Lebens und warum heutzutage vieles besser ist.

 

Das Studio von Stefan Kranefeld liegt im kreativen Düsseldorfer Stadtteil Flingern. In dem riesigen Gebäude, in dem früher eine Parfumfabrik war, hat er seine Studioräume. Kranefeld wirkt umtriebig wie eh und je.

AW: Du scheinst Deinen Beruf noch immer zu lieben, obwohl Du seit 25 Jahren in der Branche bist. Bist Du kein bißchen überdrüssig, wünscht Dir Erfüllung in einem anderen Job und sehnst Dich nach neuen Ufern?

SK: Überdrüßig? In keiner Weise. Ich würde sofort etwas anderes machen, wenn das Gefühl von Überdruss in mir aufkommen würde. Neue Ufer? Absolut, aber genau hier in dieser Branche. Ich bin Feuer und Flamme. Ich sehe die vielen Möglichkeiten, die sich durch stetig neue Techniken eröffnen. Natürlich ist es auch mal chaotisch und man flucht abends wie ein Kesselflicker. Aber die Befriedigung an der Arbeit und an der Gemeinschaft eines Unternehmens kommt von Innen. Und nur das führt zu einem erfüllten Leben. Genau das habe ich. Für mich ist es ein Geschenk mich täglich mit Bildern beschäftigen zu dürfen und Menschen um mich zu haben, die nicht nur absolute Profis auf ihrem Gebiet sind, sondern auch miteinander harmonieren, sich respektieren, motivieren und täglich inspirieren. Was will ich mehr?

AW: Was bedeutet es genau, dass Du das Studio transformieren wirst?

SK: Einmal bedeutet es, dass mein heiß geliebtes Team um eine Person gewachsen ist. Mit Jan kommen neue spannende Perspektiven für die Zukunft ins Studio. Es steht ein Quantensprung bevor, so viel kann ich schon mal verraten.

AW: Kommt der Wunsch nach Transformation nur aus Deinem Inneren oder ist es auch eine Reaktion auf den Agenturmarkt?

SK: Nur aus meinem Inneren. Der Agenturmarkt ist stetig im Wandel, damit hat das nichts zu tun.

AW: Was genau bedeutet Lösungsanbieter?

SK: In erster Linie bedeutet es, dass man versteht, wie der gesamte Ablauf funktioniert. Also von der Basis Fotografie, über Licht sowie Make-up bis hin zur Postproduktion. Ich arbeite seit Jahren sehr eng mit Art Buyern und Produktionern zusammen. Viele beziehen mich schon in der Planungsphase mit in die Jobs ein, unabhängig davon, ob wir nur die Postproduction machen oder alles vom Foto bis zum fertigen Ergebnis. Da ich weiß, was ich brauche, können wir direkt am Anfang des Projektes Fehlerquellen eliminieren. Teilweise fotografiere ich Fragmente und Details im eigenen Studio. Was ich fotografiere sieht oftmals ziemlich abstrakt aus. Aber da ich genau weiß, was unbedingt im Foto gelöst werden muß bzw. was später in der Postproduction, ergeben sich manchmal unkonventionelle Wege. Es ist eben wichtig zu wissen, was man für ein exzellentes Ergebnis benötigt.

AW: Hattest Du einfach Lust auf eine Veränderung oder woher kommt der Drive alles in Frage zu stellen und die Karten neu zu mischen?

SK: Ich habe immer Lust auf Veränderung und hätte es auch schon früher gemacht. Es bot sich schlicht und ergreifend nicht die Gelegenheit. Da musste ich mich in Geduld üben. Aber es hat sich gelohnt. Nachdem Jan einige Monate mit uns arbeitete, wußte ich, hier ist die Möglichkeit, die ich mir schon lange wünsche und habe sie ergriffen.

AW: Die einen sagen, Unternehmensnachfolge ist eine der größten unternehmerischen Herausforderungen überhaupt. Andere wiederum denken, die nächste Generation in der Familie steht bereits bereit und freut sich auf den Chefsessel. Wie ist das bei Dir?

SK: Ich habe zwei erwachsene Söhne. Der eine hatte kurz den Wunsch ins Studio einzusteigen und hat sich dann doch für seine Passion entschieden: Er ist ein exzellenter Koch geworden. Und der andere strebt eine Diplomatenkarriere an. Ich habe beide so erzogen, dass sie ihrem Herzen folgen sollen. Und das kann dann schon mal zur Folge haben, dass die eigenen Kinder nicht in das Familienunternehmen einsteigen.

AW: Bedeutet für Dich die Nachfolge regeln mehr Freiheit oder ist es mit ein wenig Wehmut verbunden? Viele Unternehmer lassen ungern los.

SK: Ich kann hervorragend loslassen. Für mich ist es Freiheit in jeder Hinsicht. Ein bißchen weniger Dienstleistung und mehr entspanntes Arbeiten an meinen schönen neuen Projekten.

AW: Du besetzt das Management komplett mit alten Bekannten. Nicole Niestroj ist bereits seit 2002 bei Dir. Jan Wischermann seit Anfang 2018, aber auch ihn kennst Du schon lange. Werden die Rollen in Zukunft verteilt oder macht jeder alles?

SK: Eine Verteilung ergibt sich von selbst — je nach Neigung übernimmt der eine das und der andere jenes. Aber nicht streng abgezirkelt, sondern es darf sich natürlich entwicklen und immer wieder wandeln, wenn der Wunsch entsteht. Alles andere wäre meiner Meinung nach reaktionär. Wo bleibt sonst der Spaß und die Abwechslung? Das funktioniert auch jetzt schon gut.

AW: Euer neuer Name lautet Pretty On Point. Wofür steht für Dich POP?

SK: Es steht für all das Hübsche bzw. Schöne, was wir machen. Und dass das Ergebnis “auf den Punkt gebracht sein muss“. Al dente wie Pasta. Ansonsten ist es eben Mist und keiner mag es wirklich.

AW: Welche Empfehlung würdest Du Agenturen geben, um in Zukunft gerüstet zu sein?

SK: Mit uns zusammen zu arbeiten. (lacht)

AW: Wie wichtig ist für Dich als „Retuscheur der ersten Stunde” die Fotografie?

SK: Fotografie ist für mich die Basis für alles. Für all meine Arbeit. Der beste Garant für ein optimales Ergebnis ist und bleibt ein grandioses Foto. Damals wie heute. Durch die technischen Errungenschaften braucht der Fotograf zwar nicht mehr alles exakt so komponieren, wie vor einigen Jahrzehnten. Wollte der Kunde wie Dior eine Frau vor Elefanten, mußte der Fotograf (in dem Fall Richard Avedon) einen Wanderzirkus ausfindig machen und das Model Dovima posierend in einem langen Diorkleid vor den Elefanten fotografieren. Heutzutage kann so etwas auch anders gelöst werden. Ich spreche hier wohlgemerkt über das Composing, nicht über die Qualität der Fotografie. Denn es bedeutet nicht, dass man aus einem schlechten Foto ein überragendes machen kann. Wenn die Wurzel fehlt, kann auch kein Baum wachsen. Man kann hingegen aus einem hervorragenden Bild ganz leicht mit einer dilettantischen Retusche ein schlechtes Foto machen. Den Baum abhacken geht immer. Wurzel hin oder her. Die Aufgabe der Postproduction sollte eine Veredelung sein.

AW: Du hast 2019 Dein 25-jähriges Jubiläum und kennst die Szene wirklich durch und durch. Was war damals besser und was heute?

SK: Streng genommen sogar 35 Jahre. Seitdem arbeite ich mit Bildern. Ich bin ausgebildeter Lithograph und habe damals Fotos wirklich mit chemischen Prozessen, Pinsel und Airbrush bearbeitet. Ich gehöre aber nicht zu den Leuten, die sagen, früher war alles besser. Die Ergebnisse sind heutzutage durch die technischen Möglichkeiten Lichtjahre besser. Aber dafür muss man sich mit den Werkzeugen entsprechend beschäftigen. Man sagt nicht ohne Grund, dass man erst ein Profi ist, wenn man 10.000 Stunden eine Sache geübt hat. Das gilt für ein Musikinstrument genauso wie für Computerretusche.

AW: Als Inhaber bist Du bestens vernetzt. Wie wichtig ist dieses Marketinginstrument?

SK: Von Anfang an kamen meine Kunden über reines Beziehungsmanagement. Man kann auch sagen, es ist mein einziges Marketinginstrument, denn ansonsten mache ich nichts in diese Richtung. Ich bekomme Kunden immer über Empfehlung.

AW: Welche anfängliche berufliche Fehlentscheidung hat Dich rückblickend am meisten nach Vorne gebracht?

SK: Eine schwierige Frage. Wahrscheinlich folgendes Erlebnis: Ich hatte ganz am Anfang meiner selbständigen Laufbahn die Möglichkeit, Teilhaber einer mittelständischen Agentur für Fotografie und Postproduktion zu werden. Ich habe dort viel über die gigantischen Möglichkeiten im Zusammenspiel von digitaler Fotografie und Postproduction gelernt. Es war jedoch eine Fehlentscheidung, da ich nach kurzer Zeit zum Personaldirektor/Verwalter mutiert bin. Bereits nach einem 3/4 Jahr zog ich die Reißleine und ging. Ich bin noch immer Dankbar für diese Erfahrung, denn ich hatte damals eines begriffen: Ich möchte mich nur noch auf das High End Segment konzentrieren.

AW: Was würdest Du heute als 30-jähriger Unternehmensgründer machen, wenn Du das Wissen von heute hättest?

SK: Gute Frage, da muss ich einen Moment nachdenken. Ich glaube professioneller Fotokünstler hätte mich gereizt. Obwohl warte…Ich habe es. Ich hätte mir mit 30 mit dem heutigen Wissen gerne die Zeit genommen Fotografie zu studieren. Einfach mal 4 Jahre freie Arbeiten und Techniken und auch mich ausprobieren. Und am Ende wiederum das zu machen, was ich jetzt tue.

AW: Worauf können wir uns freuen?

SK: Auf ganz viele Dinge, soviel steht fest. Es werden sicherlich auch Projekte sein, von denen wir selbst noch nichts wissen und die auf uns zukommen werden. Ein großformatiges Fotokunst-Magazin ist z.B. in Planung. Das ist eine Herzensangelegenheit und knüpft an meine Mitarbeit bei den Magazinen “Select“ und “The Manipulator“ an, die mich persönlich und beruflich sehr geprägt hat.

pretty on point • kranefeld, niestroj, wischermann GbR • www.prettyonpoint.de

Interview/Text: Anna Wischermann

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